Anspruchsvolles A-cappella-Programm: Gut besuchte Pfullinger Klosterkirche beim Auftritt des Chors Vokalkunst
Pfullingen. Großartige Stimmen und ein faszinierendes Programm bekam das Publikum auf Einladung der Initiative Kulturhaus Pfullingen (ikuh) am Sonntagabend in der voll besetzten Klosterkirche zu hören. Die besondere Atmosphäre des Raums als ehemals zentralem Ort geistlichen Lebens des Klarissenordens sowie die sensible Akustik waren wie geschaffen für ein Konzert, das von spirituellen Stücken und klanglichen Experimenten zeitgenössischer Komponistinnen und Komponisten lebte. Die 15 jungen Leute des Chors »Vokalkunst«, gegründet 2023, sind unter der Leitung von Daniel Radde und in Kooperation mit der Universität Tübingen auf einer Tournee durch den Südwesten und beleuchten mit ihrem sehr anspruchsvollen A-cappella-Programm »Lichtblick« existenzielle Aspekte im menschlichen Leben und das Spannungsfeld von Dunkelheit und strahlendem Schein.
»O Radiant Dawn« von James MacMillan (geboren 1959) basiert auf dem Bibeltext des Jesaja: »Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht.« Mit sich steigernder Intensität flehen die Stimmen die göttliche Macht um Errettung an. Das zentrale Wort »light« wurde in der Lautstärke dynamisch gesteigert und ausgeweitet. In einer sehr sauberen Intonation und mit glasklaren Stimmen wurde der Inhalt nicht nur hör-, sondern auch gefühlsmäßig erfahrbar gemacht – ein Erlebnis, das in einer uralten Klosterkirche besonders nachdrücklich wirkte.
Der philippinische Komponist John August Pamintuan (geboren 1972) vertonte mit »De Profundis« ein Gedicht des spanischen Dichters Federico García Lorca, das zur Hymne der Widerstandskämpfer im Spanischen Bürgerkrieg wurde. Dissonant, schrill und verzweifelt rufen die Frauenstimmen nach den toten Liebsten in ihren Gräbern, während die Männer geradezu beschwörend das »Aus der Tiefe« wiederholen.
Lautmalerisch erklang »Demon«, bei dem der Chor bedrohliches Säuseln, Zischen, Pfeifen und Flüstern erzeugte und in den Obertongesang mit geradezu mystischer Wirkung überging. Ebenso dramatisch wurde der »Judaskuss« interpretiert. Staccato-Gesang auf Deutsch und Lateinisch sowie Fußstampfen symbolisieren die Nöte des Jüngers, der für »das verfluchte Geld« Christus verraten hat und jetzt demütig um Gnade bittet.
Von Patricia Van Ness (geboren 1951) stammt das zart und transparent gesungene »Mein Herz ist ein heiliger Tempel«, das die Schöpferkraft preist. »Dies irae«, die Tage des Zorns, das Jüngste Gericht, sind Inhalt der Gesänge von John Trotta sowie Tine Bec: »Deliver me, o Lord«. Stimmlich eingesetzt werden ein bedrohliches Flüstern, das immer näher kommt, sowie aufsteigende und wieder steil herabstürzende Phrasen. Am Ende steht die Hoffnung auf Errettung durch Jesus – der Ton wird sanft und versöhnlich. Der eindrucksvolle Lobpreis »Doxologia« von Ily Matthew Maniano erinnerte in seiner wirkungsvollen Schlichtheit an gregorianischen Gesang. Acht Stimmen schufen einen grandiosen, transzendentalen Klang, der unaufhaltsam das göttliche Licht erstrahlen ließ.
»Plaudite, Psallite« des Tübinger Theologieprofessors [sic] Kęstutis Daugirdas schließlich ist ein Jubel, ein Fest, die Überwindung der Gefangenschaft, ein fröhliches Feiern. Am Ende durfte das Publikum, das den Beifall – wie vom Chor gewünscht – zurückgehalten hatte, um den gefühlvollen Beitrag nicht zu stören, endlich ebenfalls in jubelnde Begeisterung ausbrechen. Ein Konzert, das sicher lange im Gedächtnis bleiben wird.
Dr. Gabriele Böhm, Reutlinger General-Anzeiger, Tübingen, 28. April 2025