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Fein geschliffener Chorklang

Herbstliche Musiktage. Es war ein Festival der Stimmen, wie es der Bad Uracher Musikherbst sein will: Der Kammerchor Vokalkunst Tübingen glänzt beim Alb-Gastspiel in Upfingen.

Es stampft, zischt und tänzelt, es hagelt Zahlen im Stakkato-Rhythmus. Das alles kann die menschliche Stimme – obendrein, wenn es um moderne Chorliteratur geht. Instrumente braucht es dafür nicht, jedenfalls nicht, wenn der Kammerchor Vokalkunst Tübingen auf der Bühne steht.

Auf Initiative des Fördervereins „Freunde der Herbstlichen Musiktage“ waren die überwiegend jungen Sänger aus der Unistadt erstmals für ein Engagement beim Festival verpflichtet worden. Und mit dem Alb-Gastspiel des Musikherbsts in der Upfinger Marienkirche sind die Veranstalter ihrem Anspruch eindeutig gerecht geworden: Dort stand nicht nur die menschliche Stimme im Mittelpunkt – die Zuhörer erlebten auch staunend schöne und vor allem kontrastreiche A-Cappella-Klänge.

Aber der Reihe nach. Der Kammerchor unter seinem Pultchef Daniel Radde, bis 2023 acht Jahre Leiter des Reutlinger LiCo-Chorvereins, hatte sich für das Konzert klassische Chormusik des 20. und 21. Jahrhunderts vorgenommen. Die Zunge als Instrument des Gesangs stand dabei im Fokus des Programms, das der Chor in drei thematische Rubriken gegliedert hatte: Unter dem Motto „Engelszungen“ erhoben sich die Stimmen zum Lobpreis Gottes, in „Honigzungen“ spürte der Chor sinnlichem Begehren nach, während die „Narrenzungen“ dem augenzwinkernden Spott und der Freude am Übermut huldigten.

Glockenhell und strahlend

Wie das klingt? Glockenhell und strahlend wetteifern die Engelszungen des „Duo Seraphim“ in der Komposition von Andrew Steffen. Dagegen kommt Eric Whitacres „With a Lily in Your Hand“ nach einem Text von Federico García Lorca stellenweise fast schon ein bisschen verjazzt daher. Zwischendrin gehen die Choristen aber mit viel Gefühl und feinsinnigem Esprit zur Sache. Und jedes Thema rahmt der Sänger Jonathan Steinestel mit launigen Erläuterungen.

So richtig folkloristisch-mittelalterlich muten die „Narrenzungen“ dann in der Komposition „In Taberna“ von Michal Ziólkowski an. Wir hören Trinklieder, sehen Festgelage, alles leicht augenzwinkernd präsentiert. Zu einem Höhepunkt des Konzerts gerät der Titel „Numbers“ von Shruthi Rajasekar. In wechselnden Tempi und Lautstärken spielt der Chor fast säuselnd mit Zahlenreihen.

Nach der schwedischen Nummer „Silvertunga“ (Silberzungen) von Nils-Peter Ankarlbom erlebt das Publikum in der Marienkirche eine weitere Uraufführung – nach der in der Liedermatinee. Vor gut sechs Monaten hatte Musiktage-Leiter Florian Prey eine Eigenkomposition an Chorleiter Daniel Radde geschickt – mit der Bitte, diese aufzuführen. Fast ein bisschen zu romantisch sei das Werk für seine Sänger, befand der Dirigent zunächst, erzählt Prey. Doch es folgte die Premiere für „In der Nacht gesungen“ – ein Werk, das mit Chorelementen aus Tradition und Moderne spielt.

Fazit: Dem Kammerchor Vokalkunst Tübingen gelingt es, die Kontraste zwischen den unterschiedlichen Werken und einzelnen Abschnitten fein herauszuarbeiten. Dabei zeigen die Sänger eine enorme vokale Bandbreite. Schade nur, dass die momentane Verkehrslage (zwei gesperrte Albaufstiege und diverse Umleitungen) das Konzert einige Besucher gekostet haben dürfte. Angesichts solcher Umstände war die zu drei Vierteln volle Upfinger Marienkirche sogar gut besucht.

Quelle: Christina Hölz, Südwest Presse, St. Johann-Upfingen, 09. Oktober 2025